STABLECOINS - Alternative für Heimatüberweisungen?
- Gastbeitrag von Gregor von Bergen, Capco -
Im Jahr 2020 beliefen sich Heimatüberweisungen auf 549 Milliarden US-Dollar zu Gunsten von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Die Überweisungen von Arbeitnehmern einer Diaspora-Gemeinschaft ins Herkunftsland oder Bürgern mit familiären Bindungen zum Ausland entsprechen zwar nur einem kleinen Teil des weltweiten Zahlungsverkehrsvolumens, stellen jedoch einen wichtigen Teil des Einkommens für die Betroffenen dar. Dabei sind Heimatüberweisungen jedoch oft nicht nur für den Absender, sondern auch für den Empfänger mit hohen Gebühren verbunden.
Kostengünstige Alternativen für Heimatüberweisungen
Bei Transaktionskosten von durchschnittlich 6.7 % für eine reguläre Heimatüberweisung belief sich der Umsatz für Banken und auf Überweisungen spezialisierten Service-Providern (z.B. Western Union) im Jahr 2020 auf rund 37 Milliarden US-Dollar. Die hohen Transaktionskosten veranlassten sowohl internationale Organisationen als auch vereinzelte Empfängerstaaten dazu, innovative Ansätze für die Senkung der Kosten zu erarbeiten.
Eine Möglichkeit besteht darin, eine dominante Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel im Zielland einzuführen, sodass die Nachfrage steigt und als Nebeneffekt die direkten Transaktionskosten massiv sinken. Ein Beispiel hierfür ist El Salvador und seine Einführung von Bitcoin als Zahlungsmittel. Die Kosten, die für den Zahler beim Wechsel einer Fiat-Währung zu Bitcoin bei einer Krypto-Börse oder Bank anfallen sowie die Währungsschwankungen der zugrunde liegenden Kryptowährung bleiben hier jedoch unberücksichtigt.
Die Schweizer Nationalbank (SNB) verfolgt mit dem «Projekt Jura», das Ende 2021 unternommen wurde, indes einen anderen vielversprechenden Ansatz: Die Einführung eines Schweizer-Franken Stablecoins – auch elektronische Zentralbankenwährung (CBDC) genannt – der für den internationalen Zahlungsverkehr genutzt werden soll. Konkret wurde eine elektronische Version eines Schweizer Frankens zwischen Frankreich, der Schweiz und mehreren Finanzinstituten übermittelt. Die technische Umsetzung wurde erfolgreich abgeschlossen und scheint eine sinnvolle Möglichkeit für internationale Zahlungen zu sein.
Arten von Stablecoins
Stablecoins haben im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen sehr geringe Wertschwankungen. Diese künstliche Stabilität wird durch einen gleichbleibend gehaltenen Wechselkurs zwischen Stablecoins und Fiat-Währungen sichergestellt. So sollte ein CHF-Stablecoin genau einem Schweizer Franken in Fiat-Währung entsprechen. Wenn also ein Angebot- oder Nachfrage-Überhang besteht und der tatsächliche Stablecoin-Kurs vom angestrebten Kurs abweicht, haben Arbitrageure ein Interesse daran, die Angebots- oder Nachfrage-Seite mit Liquidität zu versorgen, um die Abweichung zu korrigieren.
Grundsätzlich gibt es die drei nachfolgenden Arten von Stablecoins:
- CDBCs – digitale Zentralbankenwährungen, die von einer Zentralbank („retail“) oder einer Geschäftsbank („wholesale“) herausgegeben werden können. Im Falle des SNB Projekts „Jura“ handelte es sich um wholesale CBDCs (wCDBCs). Einige Länder haben solche Stablecoins bereits als Alternative zu Bargeld im Land etabliert (z.B. Sand-Dollar in den Bahamas als Beispiel für ein Wholesale CDBC). Diese sind jedoch nur für die Nutzung im nationalen Zahlungsverkehr gedacht.
- Abgesicherte Stablecoins - werden mit anderen Krypto- oder Fiat-Währungen (US-Dollar, Bitcoin, Ethereum o.ä.) abgesichert. Bei Krypto-Währungen ist die Absicherung höher als der Stablecoin-Wert. Als Beispiel benötigt es für einen Schweizer Franken Stablecoin den Gegenwert von 1.50 in Bitcoin, um Kursschwankungen aufzufangen. Bei Fiat-Währungen findet meistens ein 1:1 Austausch statt.
- Algorithmische Stablecoins - werden über das Schaffen oder Entziehen von Liquidität automatisch gestützt. Hier gibt es keine Absicherung, sondern die Währungsschwankungen werden automatisch korrigiert. Ein bekannter algorithmischer Stablcoin ist TerraUSD (UST), bei dem die automatische Korrektur über einen Governance-Coin LUNA als „Ventil“ vorgenommen wird. Bei einem zu hohen Preis wird LUNA zerstört („burned“), um UST zu schaffen, damit das Angebot steigt.
- Des Weiteren ist eine Kombination von abgesicherten und algorithmischen Stablecoins möglich, welche die unterschiedlichen Vor- und Nachteile zu vereinen versucht. Als Beispiel könnte hier FRAX genannt werden, der aus einem USD Stablecoin von Coinbase (USDC) und einem Governance-Token FXS besteht.
Vor- und Nachteile von Stablecoins für Heimatüberweisungen
Ungeachtet der Art des Stablecoins lässt sich eine Vielzahl von Vorteilen für Heimatüberweisungen ermitteln. Neben dem weitgehend bekannten Vorteil der Transaktionsgeschwindigkeit und den geringeren Kosten für Absender, Empfänger und Banken gleichermassen, sind Stablecoins auch bei der finanziellen Einbindung förderlich. So können Kunden und Kundinnen, die über kein traditionelles Bankkonto verfügen, elektronische Zahlungen mithilfe ihrer digitalen Geldbörse („Wallet“) weltweit durchführen.
Neben der technischen Komplexität für die Erstellung einer digitalen Geldbörse und die Selbstsicherung der Private-Keys, stellt insbesondere der Wechsel zwischen Fiat- und Kryptowährungen einen grossen Nachteil dar. In den meisten Fällen ist dieser Vorgang bisher nur via Krypto-Börse oder spezialisierten Banken möglich. Klassische Retail-Banken bieten dies nur allzu selten noch an. Zudem stehen Krypto-Kreditkarten oder -Bankomaten noch nicht in jedem Land zur Verfügung – in manchen Teilen der Welt sind sie sogar verboten.
Vorerst keine Bedrohung für Finanzinstitute und den internationalen Zahlungsverkehr
Die Gefahr für Finanzinstitute und den internationalen Zahlungsverkehr, von Stablecoins abgelöst zu werden, ist bislang noch sehr gering. Aufgrund der fehlenden Akzeptanz – nicht nur auf Anbieter-, sondern auch auf Verbraucherseite – werden Stablecoins insbesondere bei Heimatüberweisungen zunächst eine eher untergeordnete Rolle spielen. Mit der Etablierung von digitalen Zentralbankenwährungen, den Veränderungen des kundenseitigen Zahlungsverhaltens (z.B. durch COVID-19), einem besseren Verständnis von Kryptowährungen sowie wegweisenden Gesetzen und Regulierungen, werden sich Stablecoins mittel- bis langfristig als feste Grösse und wesentlicher Bestandteil des internationalen Zahlungsverkehrs behaupten können. Aus diesem Grund ist es für Finanzinstitute bereits jetzt sinnvoll, eine Strategie zu entwickeln, bei der diese neuen Produkte einen Platz im eigenen Portfolio finden.
Kontakt
Roberto Zimmermann, Head Capco Liechtenstein
M: +41 79 958 05 54
E:
Dr. Ingo Rauser, Partner
M +41 79 203 58 85
E
Gregor von Bergen, Head of Payments & Cards
M +41 79 726 24 73
E